Schulprojekt Demokratie Schreiben

Demokratie Schreiben – Das Schulprojekt für mehr Vielfalt und Empathie 

 

Demokratie Schreiben Federrauschen Dr. Katharina Stenger Schulprojekt

Schreiben ist gut für die Seele. Das kann ich als „Schreib-Fan“ persönlich bestätigen. 

Leider ist das freie und kreative Schreiben nicht mehr so beliebt wie früher. Zu meiner Schulzeit hatten eigentlich fast alle Klassenkameraden ein Tagebuch oder Poesiealbum geführt. Das war unser Ding! Heute schreiben die Jugendlichen eher für die Onlinewelt, denn Blogs und Social Media Posts sind ein großer Teil der Freizeitbeschäftigung. Diese Art des Schreibens ist zwar weniger privat, aber sie kann dennoch gut für die Seele sein. Ob handschriftlich oder digital — Schreiben regt uns zum Denken an und bringt uns näher zusammen. Und das sollten wir schon im jungen Alter fördern. 

Die Storytellerin Michèle Gries (Federrauschen) und ich haben ich ein Schulprojekt entwickelt, das Jugendliche zum Schreiben anregen soll. Dabei möchten wir Schüler*innen motivieren, ihre eigene Innenwelt zu ergründen und sie in Textform zu kommunizieren. 

Schreibtherapie Dr. Katharina Stenger
Die Jugendlichen fühlen sich oft nicht gehört — dabei haben sie so viel zu sagen! 

Wir haben unsere Projektidee im Rahmen des Bundesprogramms #demokratieleben entwickelt und im Juni/Juli 2020 erstmals an einer saarländischen Schule durchgeführt. Wie das genau ausgesehen hat, will ich in diesem Post erklären.


Das Bundesprogramm #Demokratieleben für ein friedliches Zusammenleben

#Demokratieleben hat das Ziel, die kulturelle Vielfalt in Deutschland zu fördern und Extremismus zu bekämpfen. 

In den letzen Monaten wurde ziemlich deutlich, dass es immer noch (zu) viel Fremdenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft gibt  — auch in Deutschland. Menschen werden nicht nur wegen ihrer Herkunft und ihrer Hautfarbe angegriffen, sondern auch wegen ihrer Religion, ihrer Kultur, ihres Körpers oder ihrer Geschlechter-Identifikation. Und das ist schon lange so. Nun ist die Zeit, gegen Fremdenfeindlichkeit zu sprechen, bzw. zu schreiben.

Michèle und ich freuen uns, dass unsere Projektidee für ein vielfältiges, respektvolles und gewaltfreies Miteinander gefördert wird. Wir hoffen, dass wir mit unserem Projekt #demokratieschreiben frischen Wind in die deutschen Klassenzimmer bringen können. 

Mehr Infos zum Bundesprogramm gibt es hier: Demokratie Leben


Das Schulprojekt #Demokratieschreiben – kreative Schreibberatung für Jugendliche

Demokratie Schreiben Federrauschen Dr. Katharina Stenger Schulprojekt
Im Rahmen einer Projektwoche durften wir eine saarländische Gesamtschule betreuen. Aufgrund der Corona Regulationen wurden zwei Termine online durchgeführt und die Klasse an den Präsenztagen in der Schule in zwei Gruppen aufgeteilt. Trotz den erschwerten Bedingungen ist es uns gelungen, ein spannendes Schreibprojekt für die Schüler zu entwickeln und einen wichtigen Beitrag zum demokratischen Miteinander zu leisten, der sogar über das Klassenzimmer hinaus geht.

Die Lernziele von #demokratieschreiben für die Schüler waren:

  • sich mit eigenen Ideen, Geschichten, Meinungen und Erfahrungen auseinanderzusetzen und diese schriftliche zu entfalten
  • für sich selbst und für andere zu schreiben
  • sich zu motivieren, an einem Text dranzubleiben und eventuelle Schreibblockaden zu lösen
  • die eigene Identität im Schreibstil zu erkennen, zu festigen und weiterzuentwickeln 
  • schreibend Konflikte zu lösen und die Leser zum Denken anzuregen


Wie lief das Schreibprojekt für mehr Demokratie ab?

Zunächst sammelten wir Schreibthemen, die die Schüler*innen aktuell bewegten. Hier war natürlich das Thema Fremdenfeindlichkeit besonders präsent in den Köpfen. Nachdem sich die Jugendlichen ein Thema ausgesucht hatten, erstellten sie „Vision Boards“, die sowohl die Inhalte des Textes als auch die eigene Gefühlswelt und Inspiration widerspiegeln sollten. Den meisten Schüler*innen fiel es schwer, ihre Textidee zu Papier zu bringen. Das Vision Board sollte also ein kreativer Anstoß sein, der den Anfang der Schreibarbeit erleichtert.  

Schreibtherapie Dr. Katharina Stenger
Aller Anfang ist schwer — auch beim Schreiben

Das Vision Board ist eine tolle psychologische Übung zur Visualisierung von Zielen und Wünschen. (Mehr Infos zum Vision Board gibt es in einem anderen Blogpost.)

Anschließend vermittelten und übten wir unterschiedliche Schreibtechniken und -formen. Die Schüler*innen erforschten dabei mit schreibgestützten Strategien ihre eigenen Emotionen und Meinungen zum Thema Fremdenfeindlichkeit. Wir motivierten die Klasse, ihre Innenwelt schriftlich nach außen zu tragen und negative Gefühle wie Wut, Angst, Unverständnis oder Frustration zu verarbeiten. Dabei floss die ein oder andere Träne, was aber ein wichtiger Teil des Prozess war. 

Michèle und ich standen den Schüler*innen beim kompletten Schreibprozess zur Seite. Tatsächlich fiel es uns am Ende schwer, die Klasse zu verlassen, wo wir gerade eine vertraute Verbindung zu unseren Schüler*innen aufgebaut hatten.

Zum Abschluss bekamen alle ein E-Book mit den besprochenen Inhalten, sowie ein Feedback zu ihrem Text. Bei dem Feedback legte ich besonderen Wert darauf, dass der Text Emotionen und Wertvorstellungen kommuniziert, den Leser aktiviert und die Vision des friedlichen Zusammenleben fördert. Einige Texte rührten mich zu Tränen, andere waren unglaublich kreativ. Eine Schülerin beschrieb z.B. anhand einer Superhelden-Analogie, wie sie die Welt verbessern möchte. 

Insgesamt bin ich sehr stolz auf die Ergebnisse von #demokratieschreiben. Mit dem Einverständnis der Klasse werden einige Texte nach den Sommerferien online veröffentlicht, was mich besonders freut.

Im nächsten Abschnitt möchte ich erklären, warum wir ein Schreibprojekt für unsere Teilnahme am Bundesprogramm #demokratieleben gewählt haben. Dabei werde ich eher auf die psychologische Ebene gehen und die schreibtechnische Ebene außen vor lassen.

Wenn du an Schreibformen und -techniken interessiert bist, schau dir unbedingt den Blog von Federrauschen an. Dort lernst du alles rund ums Storytelling!


Wie kann Schreiben
aktiv helfen, um Zusammenhalt und Demokratie zu fördern?

Empathie beim Schreiben Dr. Katharina Stenger
 


Das Stichwort hier lautet: Empathie!

Empathie bedeutet die Fähigkeit zum Einfühlen und Nachempfinden der Erlebnisse und Gefühle anderer (Lexikon für Psychologie). Das heißt, du fühlst dich in die Lage des anderen hinein, um sein Verhalten zu verstehen. Es ist sozusagen ein Perspektivenwechsel.

Warum versetzen wir uns in andere Menschen hinein?

Grundsätzlich handelst du als Mensch egoistisch, d.h. du selbst stehst im Zentrum deines Denkens und Handelns. Das ergibt auch Sinn, denn schließlich kennst du dich am besten. 

Aber erst durch Empathie baust du Beziehungen zu anderen Menschen auf und erhältst diese aufrecht. Du trittst also aus deinem Ego-Zentrum heraus und machst Platz für andere Perspektiven, Einstellungen und Meinungen.

Mit mehr Empathie beurteilst du andere Menschen nicht vorschnell. Warum? Du überlegst genau, was dieser Mensch durchgemacht hat bzw. gerade durchmacht, auf welchen subjektiven Erfahrungen er/sie handelt und was er/sie sich dadurch erhofft oder befürchtet. Je bewusster du die Perspektive anderer einnimmst, desto besser kannst du deine eigene Einstellung und dein eigenes Verhalten an dein Umfeld anpassen. Empathie heißt also nicht nur, andere zu verstehen, sondern dementsprechend zu kommunizieren und zu handeln. Dieser Dialog ist eine wundervolle Basis für ein friedlicheres Miteinander. 

Wann kannst du dich besonders gut in andere hineinversetzen?

Du kannst dir bestimmt vorstellen, dass du dich leichter in deinen besten Freunde hineinversetzen kannst, als in Fremde. Das hat mit der größeren Ähnlichkeit zwischen euch zu tun. Wenn du persönliche Erfahrungen, Interessen (z.B. dasselbe Hobby), soziale Gruppen (z.B. Familie, Kultur, Religion…) oder den sozialen Kontext (z.B. dieselbe Schule)  mit jemand anderem teilst, besteht eine empathische Verbindung zwischen euch. Schwerer wird es, wenn du dich in jemanden hineinversetzen willst, dessen Leben völlig anders ist: Menschen, die in andere Kulturen aufgewachsen sind und vielleicht schlimme Erfahrungen gemacht haben, die du dir nicht mal vorstellen kannst. Statt Mitgefühl empfindest du eher Mitleid und willst dich vielleicht lieber distanzieren, um nicht zu viel von dem fremden Schmerz zu spüren. 

Wichtig ist also, dass du versuchst, fremden Menschen dieselbe Empathie entgegen zu bringen, wie deiner Familie und deinen Freunden. Das ist Übungssache!

Genau das möchten wir in unserem Projekt #demokratieschreiben trainieren. Um echte Empathie (und kein Mitleid) im Klassenraum zu stärken, recherchierten die Schüler*innen Texte von Menschen aus fremden Kulturen und verfassten selbst tiefgründige Texte zum Thema Fremdenfeindlichkeit. 

Das Gute ist, dass man für dieses empathische Schreiben kein Profi-Schriftsteller sein muss. Es geht eher darum, möglichst authentisch die eigenen Gedanken, Gefühle und Erfahrungen in Worte zu fassen und zu kommunizieren. So trainierten die Schüler*innen Selbstreflexion (= die Art und Weise, wie du über dich selbst denkst und von dich lernst) und lösten dabei eigene emotionale Blockaden.

#demokratieschreiben gibt jedem Schüler und jeder Schülerin einen Raum, in dem er/sie gehört wird. Denn jede Stimme zählt und jedes Wort ist machtvoll!

Du möchtest das Projekt #demokratieschreiben auch an deine Schule bringen?

Wie du mit deiner Schreibkraft deine seelischen Gesundheit verbesserst, zeige ich dir in diesem Blogpost.

Schreibtherapie Dr. Katharina Stenger
Wissenschaftliche Quellen und Links zum Nachlesen:

Blechinger, T., & Klosinski, G. (2011). Zur Bedeutung der Bibliotherapie und des expressiven Schreibens in der Kinder-und Jugendpsychiatrie. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 60(2), 109-124.

Hepburn, A. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.

Mit Stift und Papier in der Psychotherapie

Zum Thema Empathie (Stangl, 2020): https://lexikon.stangl.eu/1095/empathie/