Glücklicher durch Meditation: Erkenntnisse aus der Hirnforschung

Glücklicher durch Meditation Dr. Katharina Stenger

ein Artikel in Zusammenarbeit mit dem Experten für Meditation Adrian Göldner

„Ich habe Angst, was die Zukunft bringt.“

„Ist das mein richtiger Weg?“

„Ich will endlich bei mir selbst ankommen!“

Das sind Sätze, die wir alle schon mal gehört oder sogar selbst ausgesprochen haben. Ich bin da keine Ausnahme. Was mache ICH also, wenn ich vor einer wichtigen Entscheidung stehe, nervös bin oder einfach einen stressigen Tag habe?

Ich meditiere!

Ich habe während meines Promotionsstudiums angefangen und habe viele Formen der Meditation ausprobiert. So habe ich das Studium überstanden. Und auch heute ist das Meditieren ein wichtiges Ritual zur Stressbewältigung für mich.

Als Wissenschaftlerin und Meditations-Fan freue ich mich besonders, diesen Artikel über die Auswirkungen von Meditation auf das menschliche Gehirn zu schreiben. Die Idee kam von Adrian Göldner, Gründer des privaten Instituts für mentale Gesundheit durch Meditation. In über 4000 Meditationsstunden hat er gelernt, welches Potential in diesem Werkzeug steckt.
Zweihundert Studien bestätigen seine Erfahrung. Deshalb hat Adrian ein Programm in Zusammenarbeit mit Neurowissenschaftlern und Psychotherapeuten entwickelte, um sein Wissen leicht verständlich weiterzugeben. Dabei richtet er sich vor allem an Menschen, die an Stress, Depressionen, Burnout oder Angststörungen leiden.

Wir haben für diesen Artikel gemeinsam recherchiert und wollen dir die wissenschaftlich fundierte Kraft der Meditation erklären.

Was den glücklichsten Menschen
der Welt ausmacht

Kann etwas so simples wie „mal kurz eine zeitlang auf den Atem achten“ bei Depressionen, Angststörungen und Stress helfen und sogar das Gehirn verändern?

Das ist die Geschichte über Matthieu Ricard, dem „glücklichsten Menschen der Welt“:
Matthieu hat einen PhD in Molekulargenetik. Nach seinem Abschluss hat er sich aber für einen ganz anderen Weg entschieden. Er hat Paris kurzerhand den Rücken zugewendet und sich dem Buddhismus und damit einhergehend der Meditation verschrieben. Inzwischen ist er ein enger Vertrauter des Dalai Lama und meditiert seit fast 50 Jahren.

Der bekanntester Meditationsforscher Richard Davidson hat Matthieu (und andere Langzeit-Meditierende) an ein EEG angeschlossen. Das EEG (kurz für Elektroenzephalogramm) zeichnet die Gehirnstöme eines Menschen in Echtzeit auf. Es verrät uns dadurch, wie schnell und effektiv das Gehirn Informationen verarbeitet. Mit dieser Technik hat Davidson Faszinierendes über Matthieus Gehirn herausgefunden.

Matthieu Ricard und Richard Davidson
Credit: Jeff Miller/University of Wisconsin-Madison

Was macht ein „glückliches Gehirn?“

Das Erstaunen war groß als man festgestellt hat, dass Matthieu den größten und aktivsten linken präfrontalen Cortex besitzt, der je bei einem Menschen gemessen worden ist.

Den größten linken …was?…

Der linke präfrontale Cortex ist eine Hirnregion direkt hinter der Stirn, der bei uns Menschen mit vielen, tiefer liegenden Arealen vernetzt ist. Generell ist der präfrontale Cortex für Planung von Verhalten und emotionale Kontrolle verantwortlich. Der linke Teil wird von Neurowissenschaftlern bei starker Aktivität mit Gefühlen von „Zufriedenheit“ und „Glück“ in Verbindung gebracht.

Bei Menschen mit Depressionen ist genau dieser Teil des Gehirns weniger aktiv. Er ist tatsächlich auch kleiner im Umfang im Vergleich zu gesunden Menschen. Wissenschaftler bestätigen den Zusammenhang zwischen der Passivität der frontalen Hirnregion und Gefühlen der Schwere, Melancholie oder Trauer.

Seit seiner EEG-Messung wird Matthieu Ricard in der Wissenschaft als „der glücklichste Mensch der Welt“ bezeichnet. In privaten Interviews ärgert ihn das ironischerweise immer ein wenig. Glück ist schließlich etwas subjektives, das schwer zu definieren ist.

Viele Menschen verwechseln Glück mit der Abwesenheit aller Probleme. Nach dieser Definition wird es den meisten von uns schwer fallen, immer glücklich zu sein. Die buddhistische Sichtweise meint hingegen ein allgemeines Wohlfühlen. Dazu gehören ein harmonisches Zusammenleben und bedingungsloses Mitgefühl für andere.

Was heißt das nun für dich?

Dass du etwa 50 Jahre meditieren sollst, damit du die Chance hast so glücklich zu werden? Nicht unbedingt!

Dank Gerätschaften wie dem EEG lässt sich inzwischen darstellen, dass sich unser Gehirn durch Meditation auch in recht kurzer Zeit verändern kann.

Die Wissenschaft der Meditation

Die deutsche Meditationsforscherin Dr. Britta Hölzel hat festgestellt, dass sich das Gehirn schon nach acht Wochen Meditation verändern kann. Dabei meint sie eine Verdichtung der Zellkörper im Hippocampus. Der Hippocampus ist für Gedächtnis, Lernen und Emotionsverarbeitung zuständig.
Die Besonderheit der Studie: Lediglich 27 Minuten Meditation pro Tag reichten aus, um diese Veränderung hervorzurufen.

27 Minuten klingt viel, und das ist es für einen Anfänger auch. Aber letztendlich ist es aber auch nur eine Episode deiner Lieblingsserie auf Netflix 😉
Das klingt doch gar nicht schlecht, oder?!

Gefühle besser kontrollieren
durch Meditation

Was ist eigentlich Emotionsverarbeitung?

Ein Beispiel:
Stell dir vor, du sitzt im Auto und jemand nimmt dir an einer Kreuzung die Vorfahrt. Dein erster Impuls? Den Übeltäter wild gestikulierend beschimpfen. Wahrscheinlich mit Wörtern, die du im Alltag eher weniger benutzt. Deine unschöne Seite kommt zum Vorschein, weil du die aufkochende Wut nicht schnell genug verarbeiten kannst.

Wenn du rechtzeitig bemerkst, dass diese Wut in dir ansteigt, kannst du die Emotion besser verarbeiten, bevor sie ausbricht. So hast du die Möglichkeit, umzudenken und dein explosives Verhalten zu mildern.

Wie umdenken? Na, vermutlich hat dich der andere Fahrer ganz einfach nicht gesehen. Das ist dir bestimmt auch schon mal passiert, oder? Vielleicht hat er/sie einen Notfall oder vielleicht ist er/sie noch sehr unerfahren im Straßenverkehr. Erwarte nicht immer das Schlimmste von anderen Menschen 😉
Durch diesen kleinen Perspektivenwechsel kannst du deine Wut schneller abschwächen und dein Tag ist nicht gleich versaut nur wegen einer Autofahrt.

aktive Hirnregionen bei der Emotionsverarbeitung. (c) National Institute of Mental Health

Weniger Angst und Stress
durch Meditation

Nun hast du schon die wichtigen Fakten über zwei Bereiche unseres Gehirns gelernt.

Ein weiterer wichtiger Teil im Gehirn, der sich bereits nach acht Wochen Meditationstraining verändert, ist die Amygdala.

Die Amygdala ist unsere kleine Wächterin im Gehirn, die jede Situation auf potenzielle Gefahr bewertet. Und damit ist sie unsere Hauptverantwortliche für Stress, Angst und Panik.

Zurzeit als unsere Vorfahren noch Jäger und Sammler waren, hat die Amygdala überlebenswichtige Befehle an den Körper gegeben. Zum Beispiel wurde auf das Signal der Amygdala Stress- und Angsthormone ausgeschüttet, wenn wir einen Säbelzahntiger gesehen haben. Auf das Signal der Amygdala hat sich der Körper auf einen Kampf oder auf eine Flucht vorbereitet.

Heutzutage sind Säbelzahntiger keine Gefahr mehr. Uns bedrohen aber andere Dinge und Menschen. Zum Beispiel unser Chef, der uns täglich mit mieser Laune begegnet, uns tausend Aufgaben gibt und uns einschüchtert. Der Chef hat also die Rolle des Säbelzahntigers übernommen und dementsprechend wird die Amygdala aktiv und feuert los, wenn wir ihm auf dem Flur begegnen.

Leider ist bei der Begegnung mit dem Chef meistens weder Kampf noch Flucht möglich. Wir müssen also die Stresssignale der Amygdala aushalten. Das kann auf längere Sicht zu Angststörungen (wie z.B. Panikattacken) führen.

Was hat das jetzt nochmal mit Meditation zu tun?

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Amygdala weniger aktiv wird und sogar schrumpf, wenn man acht Wochen lang regelmäßig meditiert.

Zurück zum Beispiel aus dem Straßenverkehr: Nach gerade mal acht Wochen regelmäßiger Meditation wirst du weniger Stress und schlechte Laune spüren, wenn dir jemand die Vorfahrt nimmt. Du kannst dann nervige Situationen wie diese objektiver betrachten. Deine Gefühle (z.B. das Gefühl, dass du gerade ungerecht behandelt wurdest) sind zwar immer noch da, aber dein Gehirn merkt, dass eine Stress-Ausschüttung nicht notwendig ist. Das heißt, du bewertest die Situation nicht mehr als „nervig“ oder „stressig“ und bewahrst so einen kühlen Kopf.

Für dich zusammengefasst heißt das:

Bei regelmäßiger Meditation…

– vergrößert sich dein linker präfrontaler Cortex, was zu einem gesteigerten Gefühl von Zufriedenheit und Glück führen kann.

– verdichtet sich die graue Substanz in deinem Hippocampus, was mit einer verbesserten Emotionsverarbeitung assoziiert wird.

– reduziert sich die Größe und die Aktivität deiner Amygdala und du spürst weniger Stress, Angst und Panik.

Warum es Sinn macht, eine Therapie mit Meditation zu ergänzen

In der psychologischen Beratung wird tief gehend über Probleme geredet. Sich ständig mit den eigenen Baustellen zu beschäftigen, ist anstrengend. Daher ist es sinnvoll, neben den typischen verhaltens- und gesprächstherapeutischen Methoden auch verschiedene Entspannungstechniken auszuprobieren. So kommst du nach einer anstrengenden Sitzung wieder in die Balance.

Du möchtest mehr über Entspannungstechniken lernen? Komm zum kostenlosen Erstgespräch.

Meditation und Depression

Ein psychisches Leiden, das oft mit Angst und Stress einhergeht, ist die Depression. Jon Kabat-Zinn hat 1979 die renommierte Stress Reduction Clinic gegründet.

Anhand seiner Arbeit zeigen möchten wir dir zeigen, wie Meditation bei Depression wirkt:

In seiner Klinik haben die Teilnehmer acht Wochen lang Meditation und Achtsamkeit geübt.

Die angewendeten Techniken waren:

– die Einübung achtsamer Körperwahrnehmung (Body-Scan)

– das sanfte und achtsame Ausführen einer Anzahl von „Yogapositionen“ (Asana)

– das Kennenlernen und Einüben des „Stillen Sitzens“; einer Sitzmeditation (Zazen)

– das achtsame Ausführen langsamer Bewegungen, etwa in der Form der traditionellen „Gehmeditation“ (Kinhin)

– eine dreiminütige Achtsamkeitsübung (Breathing-Space)

– die Aufrechterhaltung der Achtsamkeit auch bei alltäglichen Verrichtungen.

Die meisten Patienten, die an diesem Programm teilnahmen, hatten vorher keine Meditationserfahrung. Sie kamen in die Klinik wegen Depressionen, Angststörungen, Stress, Burnout oder Schlafstörungen. Die Teilnehmer füllten am Anfang und am Ende der Studie klinische Fragebögen zur Anamnese aus, um die Schwere ihrer Erkrankung zu messen. Anhand dieser Fragebögen konnten Forscher die Wirkungen der Meditation feststellen.

In den 40 Jahren seit der Gründung der Klinik
wurde festgestellt, dass…

→ Punkte auf der Depressionsskala gesenkt wurden (von schweren zu mittelschweren und mittelschweren zu leichten Depressionen)

→ die Zeiträume zwischen depressiven Episoden länger wurden

→ Punkte auf der Angstskala gesenkt wurden

→ Schlafstörungen reduziert wurden bei Patienten, die nicht medikamentös behandelt werden konnten

→ gleiche Wirkungen, wie bei Antidepressiva erzeugt wurden

Der Grund für die bahnbrechenden Befunde in der Stress Klinik liegt auch hier wieder im Gehirn. Wissenschaftler konnten beweisen, dass bei der Depression ein Ungleichgewicht von Neurotransmittern (= chemische Botenstoffe) im Gehirn vorliegt. Die Neurotransmitter, die normalerweise gegen Angst ausgeschüttet werden, sind bei depressiven Menschen i.d.R. reduziert. Durch gezielte Entspannungsverfahren (u.a. auch Meditation und Yoga) konnte die chemische Balance im depressiven Gehirn tatsächlich verbessert werden.

„Du kannst die Wellen nicht stoppen, aber du kannst lernen zu surfen.“ – Jon Kabat-Zinn.

Diese schöne Zitat beschreibt, dass wir unseren Emotionen zwar selten entkommen, wir aber einen besseren Umgang mit ihnen lernen können.

Finde deine Glücksmeditation

Nun weißt du sowohl in der Theorie als auch in der Praxis, dass die Meditation eine psychologische Beratung gut begleiten und ergänzen kann.

Wenn du dich jetzt fragst, was genau DEINE Glücksmeditation ist, möchten wir dir sagen:

Es gibt tausende Arten der Meditation, weswegen man keine pauschale Antwort auf diese Frage geben kann. Vielleicht hast du schon mal eine bestimmte Meditationsform ausprobiert und gedacht, dass es nicht das Richtige für dich ist. Das muss aber das nicht so sein.

Das ist so, als würdest du eine bestimmte Sportart (z.B. Baseball) ausprobieren und danach sagen: „Ich kann oder mag keinen Sport“, nur weil dir Baseball nicht gefällt. Erst, wenn du ein paar verschiedene Sportarten ausprobiert hast, kannst du dir ein Bild machen und sagen, dass du bestimmte Sportarten (Baseball eben) nicht magst.

Genauso ist es mit der Meditation. Du musst erstmal die richtige Art für dich finden, bevor du sagst „Meditation bringt nichts“.

Probiere also verschiedene Techniken aus, bis du eine Meditationsart gefunden hast, mit der du dich wohl fühlst. Und dann bleib dran! Dein Gehirn wird sich bei regelmäßiger Übung und der richtigen Technik anpassen und du wirst die positiven Effekte der Meditation im Alltag spüren.

Wenn du Begleitung für das Finden der richtigen Meditationsart benötigst, schau gerne auf der Seite von Adrians Instituts vorbei:

Hier geht’s zur Instituts-Homepage

Wenn du nicht weißt, ob das das richtige für dich ist, kannst du sogar kostenlos ein Gespräch mit Adrian vereinbaren:

Hier geht’s zum Beratungsgespräch

Sie können Ihre Emotionen wie ein Feuer betrachten, das brennt. Wenn Sie sich der Wut bewusst sind, sind Sie nicht wütend, Sie sind bewusst. Sich der Ängstlichkeit bewusst zu sein bedeutet nicht, ängstlich zu sein, sondern bewusst zu sein. Wenn Sie sich dieser Emotionen bewusst sind, fügen Sie ihrem Feuer keinen Brennstoff mehr hinzu, und sie werden abbrennen.
– Matthieu Ricard

Quellenangaben:

https://link.springer.com/article/10.1007%252Fs12671-013-0269-8

http://archinte.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=1809754

https://jamanetwork.com/journals/jama/article-abstract/182551?resultClick=1

https://www.pnas.org/content/108/50/20254.short

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3004979/

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/016383439500025M

https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0064574

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1744388113000674

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1935861X12001532

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3004979/

https://advances.sciencemag.org/content/3/10/e1700489.full

https://www.dasgehirn.info/handeln/meditation/die-neurowissenschaft-der-meditation

Kasala, E. R., Bodduluru, L. N., Maneti, Y., & Thipparaboina, R. (2014). Effect of meditation on neurophysiological changes in stress mediated depression. Complementary therapies in clinical practice, 20(1), 74-80.

Newberg, A. B., & Iversen, J. (2003). The neural basis of the complex mental task of meditation: neurotransmitter and neurochemical considerations. Medical hypotheses, 61(2), 282-291.

Beitragsbild von Lucas Pezeta – Pexels