wie „toxische Jobs“ die Psyche gefährden
Es ist nun schon zwei Jahre her, dass ich den letzten Blogbeitrag zum Thema Mobbing verfasst habe. Seitdem bekomme ich immer wieder Nachfragen und Rückmeldungen zu dem sehr aktuellen Thema Diskriminierung am Arbeitsplatz. Vor allem in großen Unternehmen scheint es immer wieder zu Vorfällen zu kommen, die der Unternehmenskultur schaden. Zahlreiche Betroffene wenden sich an mich mit der Frage, wie sie mit diskriminierendem Verhalten umgehen sollen. Manche Ratsuchende spielen sogar mit dem Gedanken, ihren Job zu schmeißen.
Du bist auch von Diskriminierung am Arbeitsplatz betroffen?
Oder du findest das Thema wichtig für dein Unternehmen?
Ich möchte im folgenden Blogpost Kenntnisse, Impulse und Lösungsvorschläge anbieten.
Der Post orientiert sich an meinem Beitrag, den ich auf der Javaland Konferenz 2023 präsentiert hatte. Ich hatte nämlich die Ehre, bei der Community Keynote zum Thema „Toxizität am Arbeitsplatz“ über die Auswirkungen von Mobbing am Arbeitsplatz zu sprechen.
Dieser Post behandelt die Themen Mobbing, toxische Führung (Bossing) und Sexismus als Formen von Diskriminierung am Arbeitsplatz. Ich möchte über Auswirkungen diskriminierenden Verhaltens auf die Psyche sprechen und Lösungsvorschläge für Betroffene, Zeugen und Führungskräfte geben.
Zum Einstieg werde ich eine persönliche Geschichte wiedergeben, wie sie mir ein Klient erzählt hatte — nach einer wahren Begebenheit:
Wenn der Traumjob toxisch wird
„To inspire the human spirit and grow together“ — das war der Slogan, der über dem Banner am Eingang des Großraumbüros prangte.
Er fiel mir direkt am ersten Tag auf. Das klingt inspirierend, dachte ich mir und freute mich aufs Onboarding in diesem großen und eindrucksvollen Unternehmen.
Doch dann kam alles anders, als ich es mir erhofft hatte — Ich wurde in meinen ersten Arbeitswochen komplett alleingelassen und musste mich irgendwie mit Video-Tutorials zurechtfinden. Die zuständige Führungskraft fand nämlich, solche „einfachen Einarbeitungsaufgaben“ kann man ja wohl alleine erledigen. Gut, dachte ich, scheint hier wohl Usus zu sein, doch dann bemerkte ich, dass in anderen Abteilungen die Neuen viel besser unterstützt wurden. Mich kann man nicht so schnell einzuschüchtern, deshalb suchte ich nach einigen weiteren Wochen des (wie ich dachte) unproduktiven Vor-mit-hin Arbeitens das Gespräch mit der Führungskraft. Nachdem mein Gesprächstermin zweimal verschoben wurde, bekam ich von der Führungskraft zu hören, in einem sehr rauen Tonfall wohlgemerkt, dass meine Bitte nach mehr Unterstützung und klarer Aufgabenstrukturierung völliger Blödsinn sei. Ich wisse schließlich, wofür ich eingestellt wurde, hieß es. Im selben Atemzug wurden subtile Beleidigungen und unkonstruktive Kritik geteilt.
Nach dem enttäuschenden Meeting war mein nächster Gedanke: Machen meinen Kolleg*innen ähnliche Erfahrungen wie ich? Also hakte ich nach und stellte zu meiner Erstaunen fest, dass sich dieselbe Führungskraft vor den Anderen total freundlich, ja fast schon kumpelhaft gibt. Ich begann an mir zu zweifeln: Bin ich zu dumm für meine Aufgaben? Werde ich dem Slogan „Inspirieren und gemeinsam wachsen“ nicht gerecht? Was mache ich hier eigentlich? Und wozu? Was passiert, wenn ich morgen einfach nicht mehr ins Büro komme — merkt das überhaupt jemand?
Bossing im toxischen Arbeitsplatz
Mein Klient hatte es mit Bossing zu tun — eine Form der Diskriminierung, bei der ein hierarchisches Machtungleichgewicht ausgenutzt wird. Mein Klient, als Neuling, war der Führungskraft scheinbar ausgeliefert. Die Führungskraft hingegen nutzte ihre (hierarchisch geschaffene) Überlegenheit negativ aus, indem sie den Neuling an den Pranger stellt und richtete damit einen gravierenden emotionalen Schaden bei meinem Klienten an. Und das ist kein Einzelfall.
Bossing kann auf direkte und indirekte Weise im Unternehmen passieren:
Die betroffene Person kann öffentlich beschimpft, beleidigt und bedroht werden (direktes Bossing). Daneben kann auf manipulative Art wichtige Informationen vorenthalten werden, sodass es den Betroffenen absichtlich erschwert wird, produktive Arbeit zu leisten (indirektes Bossing).
Bossing auf der Arbeit — was ist das genau?
Bossing fällt in die Kategorie des Mobbings, das i.d.R. auf den Arbeitsplatz begrenzt ist. Laut Definition ist Mobbing das
systematische,
wiederholte und
über längere Zeit andauernde
Schikanieren, Ärgern, Verletzen und Demütigen eines Menschen.
Das kann entweder verbal und/oder nonverbal (u.a. durch gezielte, manipulative Handlungen) passieren und in Extremformen wie körperliche Gewalt oder sexuelle Übergriffe gipfeln.
Wenn der Boss zum Gegner wird — Was sind die Folgen von Bossing?
Bossing und Mobbing im Allgemeinen sind Formen von Gewalt, die oft unsichtbar bleiben und dennoch Spuren hinterlassen — sowohl auf psychischer als auch auf körperlicher Ebene.
Sinkendes Selbstvertrauen und starke Selbstzweifel:
Du kannst dir vorstellen, dass sich Bossing ganz schön unangenehm anfühlt: Die verletzenden Dinge, die gesagt werden, bohren sich wie Splitter in die Seele ein und reduzieren das Wohlbefinden am Arbeitsplatz enorm.
Betroffene beginnen zu glauben, was andere über sie sagen, auch wenn es gar nicht stimmt. Es kommt zu Selbstzweifeln und im schlimmsten Fall zum Selbsthass.
Darüberhinaus fühlen sich betroffene Person alleine gelassen und ohnmächtig. In der Psychologie spricht man von einer erlernten Hilflosigkeit. Das Gehirn meldet: „Du kannst sowieso nichts tun, es bringt ja alles nix, es wird sich nie etwas ändern“.
Dadurch fühlen sich Betroffene zunehmend einsamer und ziehen sich immer weiter zurück.
Zurück bleibt das Gefühl, man sei ein Fremdkörper im Unternehmen — in einer Gruppe, die eigentlich an einem Strang ziehen sollte.
Das ambivalente Verhalten von Führungskräften — mal freundlich wenn andere dabei sind, mal laut und beleidigend im Einzelgespräch — führt dazu, dass Betroffene gar nicht mehr wissen, woran sie sind. Es entsteht eine große Verunsicherung. Das ist purer emotionaler Stress.
Alkohol und Tabletten gegen den Arbeitsstress
Um den Stress auszugleichen, greifen Betroffene vermehrt zu Rauschmitteln wie Alkohol, Beruhigungsmitteln oder Schlaftabletten. Es gilt, das Erlebte und die damit unangenehmen Gefühle zu betäuben. Dass diese Strategie nicht gesund ist und auf lange Sicht nicht funktioniert, ist abzusehen.
Extremfall Burnout und Depression
Es kann im schlimmsten Fall zum Burnout kommen. Darunter versteht man extreme Erschöpfung, die den Menschen psychisch und körperlich komplett lahm legt.
Auch depressive Symptome können auftreten, wenn die negativen Gedanken und Gefühle so viel Platz im Kopf einnehmen, dass alles Positive im Alltag verdrängt wird.
Es entsteht eine psychologische Abwärtsspirale, aus der Betroffene oft nicht mehr herausfinden.
Schlafstörungen und andere körperliche Beschwerden:
Du hast bestimmt schon mal gehört, dass Körper und Psyche miteinander verbunden sind. Demnach kann psychischer Stress zu körperlichem Unwohlsein führen. Davon ist Diskriminierung am Arbeitsplatz nicht ausgeschlossen. Das konnte bereits in zahlreichen Studien belegt werden (unten verlinkt).
Wenn die emotionale Belastung im Job also länger andauert, entwickeln sich die sogenannten psychosomatischen Symptome, u.a.:
– Bauchschmerzen, Übelkeit oder flaues Gefühl im Magen
– Kopfschmerzen
– Muskelverspannungen
– Nervosität und körperliche Unruhe
– Erhöhter Blutdruck
– Herz-Rhythmus Probleme
– Atemschwierigkeiten
– Konzentrationsstörungen
– Schlafstörungen
– Essstörungen
– und/oder Panikattacken
Auch das Unternehmen leidet unter toxischer Führung
Wenn Mitarbeiter*innen in die Abwärtsspirale aus negativen Gefühlen, Zweifeln, erlernter Hilflosigkeit und Passivität geraten, ist es verständlich, dass auch die die Motivation und das Engagement für das Unternehmen enorm sinkt.
Studien zeigen, dass mehr Stress dazu führt, dass weniger kognitiven Ressourcen frei sind, dementsprechend weniger Leistung erbracht werden dann. Das bedeutet schlechtere Konzentration, geringere Merkfähigkeit und erhöhte Fehlerrate.
(Studie unten verlinkt)
Die oben erwähnten psychosomatischen Symptome können zu vermehrten Krankmeldungen führen. Denn Betroffene möchten den ungeliebten Arbeitsplatz so gut es geht vermeiden.
Personalmangel und Unzufriedenheit bei allen sind also vorprogrammiert.
Zusammengefasst kann ein Unternehmen, das einen fruchtbaren Nährboden für Mobbing und Bossing bietet, kein produktives und vor allem kein gesundes, menschliches Unternehmen sein.
Wie kannst du Diskriminierung am Arbeitsplatz verarbeiten?
Zunächst möchte ich erklären, warum jede Form der Diskriminierung der Seele weh tut.
Wir Menschen sind soziale Wesen. Laut der Sozialpsychologie ist das Gefühl, einer Gruppe anzugehören, sehr wichtig für uns – egal wie klein oder groß diese Gruppe ist. Evolutionsbiologisch ergibt das Sinn, denn in einer Gruppe sind wir besser geschützt gegen äußere Gefahren. Somit ist unser Überleben gesichert.
Diese Denkweise ist heute noch in uns verankert. Das heißt, wenn wir aus einer Gruppe ausgegrenzt werden, fühlen wir uns benachteiligt, manchmal sogar schwach, hilflos oder allein gelassen.
Gerade diese sozialpsychologischen Verhältnisse nutzen Personen, die diskriminierendes Verhalten zeigen, zu ihrem Vorteil und schaffen absichtlich ungleiche Machtverhältnisse und Ausgrenzung, um andere zu verletzen.
Mach dir diese psychologischen Vorgänge bewusst und erkenne, dass diskriminierendes Verhalten dir gegenüber nicht unbedingt etwas mit dir oder deiner Leistung zu tun hat. In der oben stehenden Geschichte meines Klienten sind es die Führungskräfte, die eigene (psychologische) Probleme auf die Betroffenen projizieren und ihre (strukturelle) Überlegenheit ausnutzen.
Diese Erkenntnis hilft dir, dich zu erden. In einem nächsten Schritt solltest du das diskriminierende Verhalten dokumentieren und melden. Wie das geht, erkläre ich weiter unten im Post.
Als nächstes möchte ich auf ein weiteres, wichtiges Thema am Arbeitsplatz aufmerksam machen.
Sexismus am Arbeitsplatz
Auch hier möchte ich mit einer Geschichte einleiten. Diesmal stammt die Erzählung von einer Betroffenen, die ich auf der Javaland Konferenz gehört habe:
Ich kam als junge Entwicklerin in eine Firma und war lange Zeit als Frau im Team in der Unterzahl. Einige der männlichen Kollegen belächelten mich und bezeichneten mich und andere Frauen in der Abteilung gerne als „die Mädels“.
In Teammeetings wurden meine Aussagen einfach nicht ernst genommen. Besonders einem Kollegen war ich als starke Frau ein Dorn im Auge. Und nachdem er sich mehrmals nicht an unsere Absprachen halten wollte, war ich es leid, ihm seine Arbeit hinterherzutragen. Ich stellte ihn eines Tages zur Rede und machte ihn auf sein unfaires Verhalten aufmerksam.
Sah er seinen Fehler ein und gelobte feierlich Besserung? Nein, er meinte nur trocken: „So eine wie du wäre im Mittelalter auf dem Scheiterhaufen gelandet“.
Wenn Geschlecht und Gender zur Karrierehürde werden
Die Abwertung von Mitarbeitenden aufgrund des biologischen Geschlechts wie sie in dieser Erzählung passierte, ist ein Akt der sexuellen Diskriminierung. Denn hier wird eine Person mit Verantwortungsbewusstsein und mit einzigartigen Stärken auf ihre Äußerlichkeiten reduziert. Noch schlimmer, ihr Äußeres wird zur Hürde für die Karriere.
Wie sieht Sexismus am Arbeitsplatz aus?
Sexismus kann sich auf mehreren Ebenen zeigen:
Personen erhalten einen geringeren Lohn für das gleiche Maß an Leistung wie ihre Kolleginnen oder Kollegen, sie werden im Bewerbungsverfahren benachteiligt oder ihnen werden weniger/andere Aufgaben zugeteilt.
Sexismus ist — ähnlich wie Bossing — an ungleiche Machtverhältnissen geknüpft und manifestiert sich in diskriminierendem Verhalten. Grund dafür sind meist persönliche Einstellungen und Überzeugungen, die auf Stereotypen basieren. Das heißt, es gibt unrechtmäßige bzw. verallgemeinerte Meinungen über die Betroffenen aufgrund ihres biologischen Geschlechts oder Genders (gewählte Geschlechtsidentität).
Keine Gleichberechtigung im Job — wie fühlt sich das an?
Du kannst dir vorstellen wie frustrierend es ist, wenn alles was du auf der Arbeit leistest auf dein biologisches Geschlecht oder deine Geschlechtsidentität zurückgeführt wird.
Es können Gefühle von Hilflosigkeit, Selbstzweifel und Scham auftreten und auch die psychosomatischen Symptomen, die ich weiter oben beschrieben hatte, können sich manifestieren. Das führt zu einer großen emotionalen und körperlichen Belastung am Arbeitsplatz.
Da sich Sexismus auch auf die äußere Erscheinung bezieht, entwickeln Betroffene ein verzerrtes Selbstbild. Das bedeutet, dass sie sich selbst als weniger leistungsfähig und als weniger wert wahrnehmen im Vergleich zu Kolleginnen und Kollegen.
Und schau dir nochmal die Aussagen am Ende meines Fallbeispielen an:
„Im Mittelalter wärst du auf dem Scheiterhaufen gelandet“ — das erinnert an eine Morddrohung. Dieses Katapultieren ins Mittelalter verschärft nochmal die Kluft zwischen den Geschlechtern, die sowieso viel zu groß ist.
Sexismus am Arbeitsplatz kann sich an eine einzelne Person richten, die diskriminiert wird. Er kann sich aber auch gegen alle männlichen, weiblichen oder diversen Personen im Team richten. Die Situation funktioniert dann wie ein Kreislauf, der sich immer weiter durch die Generationen in einem Unternehmen fortsetzt.
Diese Kreislauf kommt zustande durch ein weiteres typisches Mobbing-Phänomen: Es gibt Mitläufer*innen und Zuschauer*innen, die ebenfalls zum diskriminierenden Verhalten beitragen, ohne selbst aktiv zu sein. Diejenigen, die mitlaufen und in das abwertende Verhalten einsteigen, haben oft Angst, selbst zur Zielscheibe zu werden. Sie schüren dadurch leider das Feuer. Diejenigen, die zuschauen ohne einzuschreiten, begünstigen ebenfalls das Problem. Denn wenn niemand etwas ändert, erweckt das den Anschein, dass dieses abwertende Verhalten geduldet wird und eigentlich gar kein Problem darstellt.
Sind das nicht alles sowieso Narzissten?
Gründe für diskriminierendes Verhalten am Arbeitsplatz
Ist Narzissmus die Ursache von diskriminierendem Verhalten? Nicht unbedingt. Selten wissen wir in konkreten Situationen die wahre Ursache, warum eine Person diskriminierende Züge zeigt. Nichtsdestotrotz kann es hilfreich sein, zu verstehen, warum es zu diesem schädigenden Verhalten zeigt.
Achtung: Das heißt nicht, dieses Verhalten gut zu heißen oder zu tolerieren!!!
Es gibt viele unterschiedliche Gründe, die Menschen dazu bewegen, andere in den Schmutz ziehen. Oft sind es eigene Überzeugungen, wie zum Beispiel diese:
Ich bin besser als du: Wie bereits erwähnt, hat Diskriminierung viel mit einem Machtungleichgewicht zu tun, das negativ ausgenutzt wird. Wenn eine Person sehr unsicher in ihrem eigenen Selbstwert ist — sei es aufgrund alter Glaubenssätze oder Erfahrungen, sieht sie hier vielleicht die Chance, ihren Selbstwert durch die Abwertung anderer zu stärken.
Ich bin wichtiger als du: Bestimmt hast du schon mal von Narzissmus gehört. Die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist durch ein übermäßiges Interesse an sich selbst, ein übersteigertes Selbstwertgefühl und einen Mangel an Empathie für andere gekennzeichnet. Narzissten zeigen oft ein übertriebenes Bedürfnis nach Bewunderung und Anerkennung und neigen dazu, andere auf diesem Weg auszunutzen oder zu vernachlässigen. Es liegt also in der Persönlichkeit von manchen Menschen, dieses Verhalten zu zeigen. Es ist wichtig zu beachten, dass Narzissmus auf einem Kontinuum existiert, und nicht alle Menschen, die narzisstische Merkmale aufweisen, haben automatisch eine Persönlichkeitsstörung. Eine Diagnose sollte nur von Fachleuten gestellt werden.
Ich muss der Beste / die Beste sein: Manche wachsen mit der Überzeugung auf, überall Bestleistungen zeigen zu müssen für ihre Existenzberechtigung. Dieser Glaubenssatz führt dann zu einem übersteigerten Konkurrenzdenken statt einem harmonischen Miteinander.
Ich bin neidisch auf dich: Leider ist dir dein Erfolg oder dein Ansehen nicht immer gegönnt. Neid und Missgunst kann sich in Form von abwertenden Verhalten zeigen.
Ich bin gelangweilt: Menschen, die schon lange in einem Job tätig sind, suchen sich gerne Gelegenheiten, andere auf die Probe zu stellen — zur eigenen Belustigung. Von dieser Sabotage sind oft Neulinge betroffen.
Ich bin überfordert: Wem die eigene Arbeit zu viel wird, lässt das an anderen heraus. Diese Projektion rührt daher, dass viel Frustration und Ärger „in sich hinein gefressen“ wird. Doch irgendwann platzen diese negativen Gefühle heraus und treffen oft die Falschen.
Ich bin gestresst: Man weiß selten, was sich im Leben anderer Menschen abspielt. Vielleicht macht die Person, die andere abwertet, eine sehr schwere Zeit von Trauer, Angst oder Verletzung durch. Eventuell war sie selbst ihr Leben lang Opfer von Diskriminierung und kennt es nicht anders.
Ich habe Angst um meinen Job: Diejenigen, die anderen die Arbeit schwer machen, fühlen sich unsicher in der eigenen Position. Es kann die Angst sein, nicht gut genug zu sein oder ersetzt zu werden.
P.S. Auch wenn sich mein Fallbeispiel auf eine weiblichen Person bezieht — Sexismus gibt es auch gegen Männer und diverse Menschen!
Was kann ich tun bei Diskriminierung am Arbeitsplatz?
1) Strategien für Führungskräfte zur Diskriminierungsprävention
Es gibt etwas, das jedes Unternehmen ganz einfach tun kann — es ist das, was ich mit diesem Blogpost erreichen möchten: Aufmerksamkeit für das Thema erregen und Wissen vermitteln.
Das kann zum Beispiel in Form eines Führungskräftetrainings stattfinden. Generell können in jede Fort- und Weiterbildungen zur Teambildung Inhalte über Diskriminierung und die dadurch provozierte Gefährdung der psychologischen Sicherheit am Arbeitsplatz einfließen.
Denn es ist wirklich erstaunlich, wie viele Betroffene es gibt, deren Weg zur Arbeit ein wahr gewordenen Alptraum geworden ist. Laut einer Umfrage von Statista (unten verlinkt) aus dem Jahr 2021 machten rund 30 Prozent der Befragten Mobbingerfahrungen am Arbeitsplatz.
Ich kenne kaum jemanden, der die Frage „Wurdest du schon mal gemobbt?“ mit einem klaren „Nein“ beantwortet — und das bezieht ich auch auf die Zeit bevor ich als Psychologin gearbeitet habe.
Diskriminierung und Mobbing sind schon lange ein wichtiges soziales Thema. Trotzdem wird es immer noch tabuisiert und kleingeredet. Dementsprechend schämen sich viele Betroffene, darüber zu sprechen. Darüberhinaus möchten Betroffene oft keine hohen Wellen schlagen, wenn sie diskriminierende Personen outen aus Angst vor negativen Konsequenzen.
Dieses Phänomen nennt man Mental Health Shame = die Scham, über den Mangel an Wohlbefinden zu sprechen. Als Führungskraft kannst du durch Aufklärung dazu betragen, dass diese Scham in deinem Unternehmen überwunden wird.
Doch bei der Wissensvermittlung sollte es nicht aufhören. Schließlich muss ein Unternehmen einen Safe space schaffen. Denn es braucht einen geschützten Raum, um über Diskriminierung am Arbeitsplatz zu reden und um Hilfe zu bitten. Ein offener, vertrauensschaffender Umgang mit dem Thema setzt die Hemmschwelle von Betroffenen herab, über negative Erfahrungen zu berichten, vor allem wenn sie andere Menschen im Team miteinschließt.
Eventuell ergibt es Sinn, eine Vertrauensperson zu beauftragen oder ein Mediationsteam ins Leben zu rufen. Nach eigener Erfahrung werden unternehmensinterne Personen besser in einer solchen Position angenommen als Externe. Nichtsdestotrotz können externe Impulsgeber die ersten Schritte für präventive Strategien anregen, da sie als neutrale Instanz in das Geschehen einsehen.
2) Wo kann ich als betroffene Person Diskriminierung am Arbeitsplatz melden?
Sobald du von diskriminierendem Verhalten betroffen bist, musst du dir bewusst werden, dass du nicht an diesem Verhalten schuld bist. Das, was andere über dich sagen und wie sie dich behandeln, solltest du dir nicht gefallen lassen.
Vielleicht stellst du dir Fragen wie diese:
Warum ausgerechnet ich?
Was stimmt nicht mit mir?
Womit habe ich das verdient?
Bin ich wirklich so dumm/unfähig/…?
Wenn du dir solche Fragen stellst, rutschst du nur tiefer in die Abwärtsspirale von Hilflosigkeit und Einsamkeit. Versuche, dich von diesen Gedanken zu distanzieren. Nur dann kannst du aktiv werden.
So kommst du raus aus Opferrolle:
Distanziere dich physisch von den Attacken, wenn es die Situation zulässt. Das nennt man bewusste Deeskalation.
Ist dies nicht möglich, solltest du die „Opferrolle“ bewusst ablegen. Das heißt nicht, die Bullies mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Der angemessene Gegenangriff könnte sein, die Problematik anzusprechen und dir Unterstützung zu holen.
Du kannst die Gegenseite zunächst unter vier Augen sprechen. Manchmal lassen sich so bereits Missverständnisse aus dem Weg räumen. Du kannst auch eine dritte, bezeugende Person mit dazu holen, die einen neutralen Standpunkt vertritt.
Versuche, sachlich in das Gespräch zu gehen und keine Anschuldigungen zu machen, sondern Lösungen anzubieten. Du kannst erklären, dass du notfalls betriebliche oder juristische Schritte unternimmst, wenn das herablassende Verhalten nicht aufhört.
Bleibt eine persönliche Aussprache erfolglos, gibt es weitere Anlaufstellen, bei denen du über deine Erfahrung sprechen kannst. Hier sind ein paar Beispiele:
– Vorgesetzte und Vertrauenspersonen
– Mediationsteams
– Psychologische Fachkräfte innerhalb des Unternehmens oder außerhalb
– Gleichstellungsbeauftragte
– oder das Hilfetelefon für Frauen bei Mobbing
Gehst du diesen Schritt, ist ein Mobbing Logbuch ratsam, in welchem du z.B. folgende Informationen über die Mobbing-Attacken festhältst:
– Datum der Attacken
– beteiligte Personen
– bezeugende Personen
– Beschreibung des Verhaltens
– Beschreibung deiner Reaktion
– deine Lösungsversuche
Die Dokumention lässt das anhaltende, zielgerichtete Verhaltensmuster erkennen, das typisch für Mobbing ist (laut Definition).
Als letzte Instanz bleibt die Möglichkeit, Anzeige zu erstatten. Auch hier solltest du vorher Beweise sammeln, die das Mobbingverhalten untermauern.
Sollten alle Mediationsversuche scheitern, denke über einen Wechsel des Arbeitsplatzes nach. Es ist gewiss nicht die beste Lösung, doch es könnte dir viel Leid ersparen, wenn du die Situation bewusst und mit erhobenem Haupt verlässt.
3) Präventive Strategien für deine alltägliche mentale Gesundheit
Vermutlich wirst du in deinem Leben immer wieder auf Menschen treffen, die auf andere herabschauen. Es schadet also nie, dich um deine mentale Gesundheit zu kümmern. Eine stabile Basis gibt dir ein höheren Maß an Stressresistenz, die du im Umgang mit Diskriminierung brauchst.
Dein Tagesablauf außerhalb der Arbeit spielt eine wesentliche Rolle für dein Wohlbefinden: Regelmäßige sportliche Betätigung, Aktivitäten im Freundeskreis und das Ausüben von Hobbys bauen Stress ab. Eine gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf geben dir Kraft, um dich solchen Herausforderungen zu stellen.
Es gibt außerdem spezifische Kommunikations- und Abgrenzungstrainings, bei denen du lernst, wie du andere Menschen angemessen in ihre Schranken weist.
Das lange Aushalten von diskriminierenden Attacken kann tiefe Wunden hinterlassen und beschäftigt dich auch dann noch, wenn das Schlimmste schon vorbei ist. Bei starkem psychischen Leidensdruck und/oder bei psychosomatischen Leiden hilft dir eine professionelle psychologische Beratung oder eine Psychotherapie. Dort lernst du effektive Strategien, um mit der Sache abzuschließen.
4) Was kannst du als außenstehende Person tun?
Schau nicht weg, wenn du toxische Verhältnisse an deinem Arbeitsplatz erkennst. Sprich mit den Betroffenen darüber und versuche dabei empathisch zu sein. Biete deine Unterstützung an und stehe für andere ein.
So kannst du als Vorbild vorangehen!
In einer Welt, die viele psychische Herausforderungen bereithält, ist es an der Zeit, dass wir uns gemeinsam gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz aussprechen.
Letztendlich sind wir alle verantwortlich für die Gestaltung einer fairen Arbeitsatmosphäre. Nur so können wir unser volles Potenzial entfalten, gute Arbeit leisten und die (Arbeits-)Welt positiv verändern.
Du hast es bis zum Ende des Blogposts geschafft?
Dann wirst du belohnt mit einer kleinen Bildergalerie von der Javaland Konferenz 2023
Studien zu psychosomatischen Symptomen und Mobbing am Arbeitsplatz:
Studie zu kognitiven Ressourcen bei Stress:
Definition Narzissmus: American Psychiatric Association. (2013). Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5). Washington, D.C.: American Psychiatric Association.