Psychologische Tipps
für deine guten Vorsätze
Neues Jahr — neues Glück?!
Happy 2023! Der Jahresbeginn ist eine magische Zeit der Zielsetzung und der guten Vorsätze.
Ich nutze diese Gelegenheit, um ein wichtiges Thema anzusprechen: Die Macht der Gewohnheiten!
Und damit meine ich nicht ausschließlich schlechte Angewohnheiten — und sind wir mal ehrlich, Jede*r von uns hat so eine, die er oder sie gerne loswerden würde. Ich meine damit auch die positive Wirkung der guten Gewohnheiten.
Was sind Gewohnheiten?
Aber fangen wir vorne an. Jeder Mensch hat ein Repertoire an Gewohnheiten. Das sind automatisch ablaufende Handlungsmuster (oder auch Gedankenmuster), die in einem bestimmten Kontext aktiviert und durchgeführt werden. Manche Gewohnheiten werden über die Zeit zu einem Teil unserer persönlichen Eigenschaften.
Oft entstehen Gewohnheiten aus einer bewussten Entscheidung heraus, weil wir ein konkretes Ziel verfolgen — z.B. die Gewohnheit, jeden Freitag ins Fitnessstudio zu gehen. Andere sind eher schleichend und unreflektiert entstanden — z.B. die Gewohnheit, durch Instagram zu scrollen, jedes Mal wenn wir uns gelangweilt fühlen.
Warum haben wir Gewohnheiten?
Die oben beschriebene Definition klingt sehr theoretisch, deshalb habe ich hier ein konkretes Beispiel:
Kennst du das?…
Du hast eine bestimmte Art, durch deinen Lieblings-Supermarkt zu gehen. Da gibt es Regale, in die du immer als Erstes hinein greifst oder du wählst Produkte nach einem bestimmten Muster aus, ohne viel darüber nachzudenken. Du bist „auf Autopilot“. Und das nichts Schlimmes. Deine Einkauf-Routine ist entstanden, weil sie hilfreich und zeitsparend ist. So kannst du deine Einkäufe schneller erledigen. Gehst du hingegen in einer fremden Stadt einkaufen, kann es wesentlich länger dauern, denn du wirst vom großen Supermarkt-Angebot überwältigt und musst erst deinen Weg finden.
Gewohnheiten sind dafür da, dass wir Zeit sparen und unsere mentale Ressourcen schonen. Denn sie laufen i.d.R. automatisch ab und wir müssen nicht aktiv darüber nachdenken.
Was sind „schlechte“ Gewohnheiten?
Dieses Zitat von Thomas Mann bezieht sich wahrscheinlich auf die „schlechten“ Gewohnheiten: Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, Fingernägel kauen, oder ständig unpünktlich sein.
Wer mich kennt, weiß, dass ich Kategorien wie „schlecht“ und „gut“ nicht so passend finde, wenn es um die Beschreibung von persönlichen Eigenschaften geht.
Warum?
Die Einteilung verleitet zum Schwarz-Weiß-Denken. Wenn es aber um das geht, was dich als Person ausmacht, gibt es viele verschiedene Farbtöne.
Einigen wir uns also lieber auf die Bezeichnung „angenehme“ und „unangenehme“ Gewohnheiten. Denn die Gewohnheiten wirken sich in entsprechender Form auf den Körper und / oder auf die mentale Gesundheit aus.
Das Paradebeispiel für eine unangenehme Gewohnheit ist sicherlich das Rauchen. Auch das maßlose Surfen im Internet, ungesunde Ernährung oder das unreflektierte Schreiben einer viel zu langen To Do Liste, bei der du dich am Ende des Tages schuldig fühlst, weil du sie nicht ganz abhaken kannst, fallen ganz klar in diese Kategorie.
Zusammengefasst sind „schlechte“ Gewohnheiten die Dinge, die wir regelmäßig tun oder denken, die uns entweder offensichtlich stressen und die uns körperlich oder emotional belasten.
So lassen sich schlechten Gewohnheiten ändern
Ich wage mal zu behaupten, dass du diesen Faden, den Thomas Mann im oben stehenden Zitat beschreibt, sehr wohl zerreißen kannst. Bei manchen Fäden fällt es leichter, weil sie dünn und instabil sind. Bei anderen fällt es weniger leicht, weil sie so dick wie Drahtseile sind oder schon stark verwoben und verknotet, dass du nicht weiß, wie du anfangen sollst.
Fang’ hier an:
Du kannst eine unangenehme Gewohnheiten ändern, wenn du verstehst, wie Gewohnheiten generell funktionieren. Wie bereits oben erwähnt, laufen viele Routinen automatisch oder unterbewusst ab. Wir schauen uns also zuerst den psychologischen Prozess an.
In seinem Buch „Die Macht der Gewohnheit“ beschreibt Charles Duhigg drei Phasen, die wir durchlaufen, bevor etwas zu einer Gewohnheit wird: der Auslöser, die Routine und die Belohnung. Er nennt das den „Habit Loop“.
Der Habit Loop — So wirst du zum Gewohnheits-Tier:
Stell dir mal das folgende Szenario vor:
Es ist 15:30 Uhr und dein Arbeitstag im Büro war schon lang und anstrengend. Du musst mal weg vom Schreibtisch, also gehst du zur Cafeteria, kaufst dir einen großen, leckeren Chocolate Chip Cookie und quatschst kurz mit den Kolleginnen und Kollegen. Auf den darauffolgenden Tagen machst du genau dasselbe: Um 15:30 nutzt du deine Pause, um dir in der Cafeteria einen Cookie zu schnappen. Aus den Tagen werden Wochen und Monate, und irgendwann fällt dir auf, dass sowohl Gesundheit als auch Geldbeutel unter dieser Routine leiden. Und es wundert dich, dass du jeden Nachmittag Lust auf einen Cookie hast.
So sieht dein Gewohnheits-Kreislauf aus:
1) Der Auslöser:
In unserem Beispiel stellen die Uhrzeit und der Ort den Kontext dar, der das gewohnte Verhalten auslöst, nämlich den Cookie zu kaufen. Wenn du das ein- oder zweimal machst, und sonst dem Drang, einen Cookie zu kaufen, widerstehen kannst, ist das auch voll okay. Aber sind wir mal realistisch — es fällt nicht leicht, Nein zu einem leckeren Cookie zu sagen. Und dann passiert es: Der Auslöser bzw. der Kontext (Zeit und Raum) rufen dein Hirn nach einer gewissen Zeit (siehe unten) dazu auf, auf Autopilot zu schalten. In dem automatischen Modus muss dein Hirn nämlich nicht mehr die Mühe aufbringen, dem Cookie zu widerstehen und obendrauf gibt’s sogar noch ein paar Glücksgefühle beim Cookie-Essen. Wenn du dem Auslöser auf Dauer nicht widerstehen kannst, rutschst du also in die Phase 2 — die Routine.
2) Die Routine:
Der Auslöser führt also immer wieder zu der selben, automatischen Handlung. In der Psychologie spricht man von einem „mentalen Band“ zwischen Kontext und Verhalten.Warum fällt es so schwer, die Routine zu brechen? Die Antwort findet sich in der Phase 3.
3) Die Belohnung:
Die Belohnung der gewohnten Handlung bestimmt, dass das Verhaltensmuster auch in Zukunft immer wieder abgerufen wird. Du hast gelernt. Wenn du etwas den Cookie isst, fühlst du dich (für kurze Zeit) ein bisschen besser oder zumindest fühlst du dich weniger gestresst. Der „Cookie-Run“ zur Cafeteria ist somit ein festes Repertoire an Handlungen an deinem Arbeitsplatz aufgenommen.
Jetzt weißt du, wie sich solche unangenehmen Angewohnheiten etablieren können. Der Loop sieht natürlich nicht immer gleich aus. Es gibt unterschiedliche Auslöser: Orte, Zeiten, Personen, Gerüche oder Geräusche (denk nur mal an die klingende Melodie eines Eiscreme Autos).
Es gibt unterschiedliche Routinen und es gibt unterschiedliche Belohnungen (eine Stunde Zeitvertreib in den sozialen Medien, bessere Laune oder Schokolade).
Kommen wir also ins Tun.
5 Tipps, um alte Gewohnheiten
zu durchbrechen
1) Definiere deine Verlockungssituation
Du weißt bereits, dass Gewohnheiten in einem bestimmten Kontext auftreten. Der Auslöser für dein Verhalten kann external sein (die Tageszeit) oder internal sein (Langeweile).
Überlege, was genau die Verlockungssituation deiner unangenehmen Gewohnheit ist. Ist es die bequeme Couch, auf der du abends vorm TV liegst, die dich nach der Chipstüte reifen lässt? Oder ist es der Geruch von Kaffee, der dich zum dritten Espresso Macchiato verleitet und deinen Blutdruck in die Höhe treibt?
Je besser du deine Verlockungssituationen kennst, desto einfacher wird es, diese Situationen entweder zu vermeiden oder zu verändern.
Vielleicht kannst du die Cafeteria am Nachmittag vermeiden und stattdessen eine Runde spazieren gehen. Oder du gehst beim Einkauf den Chipstüten komplett aus dem Weg.
2) Ändere deine Routine
Wenn die Situation nicht vermeidbar ist, solltest du versuchen, ein alternatives Verhalten für deine Verlockungssituation zu trainieren. Du könntest beispielsweise Gemüsesticks und einen leichten Dip kaufen, statt den Kartoffelchips. So veränderst du das mentale Band zwischen dem Kontext und der Handlung.
Gemüsesticks statt Chips? Klingt einfacher als es ist, natürlich.
Versuche deshalb, diese Alternative so attraktiv wie möglich zu machen. Dabei helfen die nächsten Tipps.
3) Reflektiere die Belohnung
Die Belohnung, die du für eine bestimmte Gewohnheit bekommst, ist nicht immer offensichtlich.
In dem Cookie-Beispiel ist die Belohnung des täglichen Verlangens nach Schokolade offensichtlich der Cookie an sich. Aber es könnte auch die entspannende soziale Interaktion mit den Kolleginnen und Kollegen sein, die den Arbeitsstress abbaut. Oder es könnte der allgemeine Energieschub durch die Kalorien sein, den du einfach durch ein Stück Obst ersetzen könntest.
4) Erkenne die (negativen) Konsequenzen
Darüberhinaus kannst du dich fragen, welche Konsequenzen deine Routine hat, neben der Belohnung, die sie verspricht. Objektiv betrachtet führt der tägliche Cookie (je nach Größe und Inhaltsstoffen) zu einem erhöhten Fett- und Zuckergehalt im Köper. Das kann das Risiko verstärken, diversen Krankheiten zu entwickeln, wie etwa Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Du musst natürlich nicht komplett auf den Cookie verzichten. Aber an vier von fünf Tagen könntest du am Nachmittag zum alternativen Obst greifen.
5) Trainiere eine neue Gewohnheit
Frage dich, ob es eine andere Routine gibt, die dich zur selben Belohnung bringt.
Je mehr zu deine Gewohnheit (Auslöser bzw. Verlockungssituation, Routine und Belohnung) nachverfolgst, desto eher kannst du eine unangenehme Angewohnheit ablegen.
Wenn 15:30 Uhr der Auslöser ist, der Cookie-Kauf in der Cafeteria die Routine und die Belohnung das Schwätzchen mit den Kolleg*innen ist, kann deine neue Gewohnheit so aussehen:
Du schnappst dir einen Apfel und spazierst um 15:30 Uhr zum Schreibtisch deines Kollegen oder deiner Kollegin und plauschst für ca. zehn Minuten.
Das Reflektieren und Ausprobieren verschiedener Routinen und Belohnungen ist selbstverständlich aufwändig und anstrengend. Deshalb gibt es abschließend ein paar Impulse für angenehme Gewohnheiten, die du in deine Alltagsroutine einbauen kannst.
3 wirksame Gewohnheiten
für dein neues Jahr
Idee 1: Treppe statt Aufzug
Es ist ein scheinbar kleine Veränderung, die eine große Wirkung haben kann. Es ist sozusagen das einfachste Fitnessprogramm für deinen Alltag. Denk nur mal an die Belohnung des Treppensteigens: Der Kreislauf kommt in Schwung, du fühlst dich fitter und sogar dein Fettanteil im Gewebe und dein Cholesterin reduzieren sich nach 12 Wochen — Letzteres konnte eine Studie der Universität Genf belegen.
Idee 2: Das Dankbarkeits-Tagebuch
In der psychologischen Praxis ist Dankbarkeit bereits ein großes Thema. Wer Dankbarkeit übt, sorgt für Glücksgefühle und ist stressresistenter. Übungen gibt es wie Sand am Meer, doch ich will dir eine ganz simple Technik vorstellen — das Dankbarkeits-Tagebuch:
Überlege dir jeden Abend vor dem Zubettgehen drei Dinge, für die du heute dankbar bist oder die heute gut gelaufen sind. Achte darauf, dass du nicht jeden Tag die selben Punkte aufschreibst. Auf die Liste dürfen auch wirklich kleine, unscheinbare Dinge wie die grüne Welle beim Autofahren oder das lustige Meme, das dir deine beste Freundin geschickt hat.
Noch besser ist es, wenn du diese Listen in einem Notizbuch festhältst. So kannst du an den Tagen, an denen dir abends gar nichts einfällt und du richtig miese Laune hast, nochmal zurückblättern.
Warum gerade vor dm Zubettgehen? Wenn du neue Gewohnheiten aufbauen willst, ist des praktisch, sie zu einem bestimmten Zeitpunkt wiederholt anzuwenden. So kommt schneller eine Routine zustande. Das ist aber kein Muss!
Idee 3: Obst statt Schokolade
Es ist nichts Neues, ungesundes Snacks durch gesunde Alternativen zu ersetzen. Die Wissenschaft zeigt, dass es hilft, wenn du dir einen „Wenn-Dann-Plan“ machst.
Sage zu dir: „Wenn ich abends noch Hunger habe, nehme ich mir ein Stück Obst.“
Du machst dir quasi einen Plan, der den Kontext (Hunger am Nachmittag) mit dem gewünschten Verhalten (Obst essen) verknüpft.
Ist es dann soweit und du bekommst tatsächlich abends Hunger, ist das gewünschte Verhalten mental leichter verfügbar als zuvor. Du hast also das mentale Band verändert.
Du kannst deinen Wenn-Dann-Plan konnte machen: „Wenn ich abends noch Hunger habe, esse ich einen Apfel.“ Das macht es einfacher, das mentale Band aufzubauen.
Oder du kannst den Plan abstrakter fassen: „Wenn ich abends noch Hunger habe, esse ich etwas Gesundes.“ Das erlaubt mehr Flexibilität, zum Beispiel wenn du keinen Apfel im Haus hast oder wenn du heute mehr Lust auf Walnüsse hast.
Finale Gedanken — Wann wird
etwas zur Gewohnheit?
Abschließend möchte ich betonen, dass es nicht über Nacht gelingen wird, alte Gewohnheiten zu ändern oder neue Gewohnheiten zu etablieren. Es braucht Zeit — laut wissenschaftlichen Studien dauert es knapp 2 Monate, eine neue Routine aufzubauen — und Übung.
Deshalb rate ich dir, langsam zu starten und es jeden Tag aufs Neue zu probieren. Wenn es mal nicht klappt und die Schokolade oder die Chipstüte in deiner Hand landet, ist das kein Beinbruch. Geh also nicht zu hart mit dir ins Gericht und gib nicht auf.
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Quellen
Meyer, P., Kayser, B., Kossovsky, M. P., Sigaud, P., Carballo, D., Keller, P. F., … & Mach, F. (2010). Stairs instead of elevators at workplace: cardioprotective effects of a pragmatic intervention. European Journal of Preventive Cardiology, 17(5), 569-575.
BDP Reportpsychologie 01 / 2023
The Power of Habit, by Charles Duhigg
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