Wie die Corona Krise unser Leben verändert

Corona Psychologie Dr. Katharina Stenger

Ich habe mich ziemlich lange davor gesträubt, einen Blogpost über die Corona Krise zu verfassen. Seit knapp mehr als einem Monat kämpft nun schon die ganze Welt gegen das tückische Virus, das unser Leben ganz schön aus der Bahn geworfen hat. Demzufolge leidet unsere mentale Gesundheit gerade enorm, was mich letztendlich doch dazu motiviert hat, diesen Blogpost in zwei Teilen zu schreiben.

Die Krisen-Nachrichten in Zeitungen und Online überschlagen sich täglich, widersprechen sich teilweise und verbreiten insgesamt mehr Verwirrung als Information. 

Als die Bedrohung ihren ersten Höhepunkt erreichte, war ich gerade in Kalifornien unterwegs. Weit weg von zuhause zu sein, empfand ich zwar als leicht beklemmend, doch richtig bewusst wurde mir meine ernste Lage i Ausland erst, als meine Mitbewohnerin erzählte, dass die internationalen Flüge von Los Angeles nach Frankfurt gestrichen wurden. 

So sah ich mich gezwungen, drei Wochen vor meiner geplanten Abreise einen der letzten Flüge von der Westküste Richtung Deutschland zu buchen um nicht in den USA festzusitzen. Die Rückreise war lang, strapaziös und ungemütlich, aber ich war erleichtert, Zuhause angekommen zu sein.

Wie allen Einreisenden aus bekannten Krisengebieten, wurde mir in Deutschland eine (freiwillige) Quarantäne empfohlen, die mindestens vierzehn Tage dauern soll. Für mich war natürlich klar, dass ich mich den Rat befolge und das Haus für die nächsten Wochen nicht verlassen werde.

Um meinem Körper und meinem Immunsystem in der Quarantänezeit etwas Gutes zu tun, ernähre ich mich gesund und mache jeden Tag ein wenig Sport (mit Youtube-Videos und Yogamatte). 
Ich versuche, mich zu beschäftigen und mich zu entspannen, so weit das in meinen eigenen vier Wänden möglich ist. Doch gerade das ist in der Krisenzeit gar nicht so einfach.

Nicht nur meine mentale Gesundheit leidet gerade enorm. Dadurch, dass sich unser Alltag sehr schnell und sehr stark verändert hat, haben wir Schwierigkeiten, uns psychisch an die Umstände anzupassen. Ich möchte ein paar wichtige Dinge in Sachen mentaler Gesundheit ansprechen und ein paar Tipps geben.

Einer der letzter Tage in „Freiheit“ vor dem Lockdown in Kalifornien.

Was bedeutet das Coronavirus für unsere mentale Gesundheit?

Corona Pandemie – Plötzlich ist alles anders

Wir Menschen tun uns in der Regel schwer mit Veränderungen, vor allem wenn sie plötzlich und unvorhersehbar auftreten. Die rasante Ausbreitung des Corona Viruses überrumpelte die ganze Welt und sorgte bereits für reichlich Chaos. Ausgangssperre, Isolation und Arbeitslosigkeit führten zu einer abrupten und radikalen Umgestaltung unseres Alltags.

Mit dieser Umstellung lauern auf einmal überall potentielle Gefahrensituationen, sie uns Stress und Sorge bereiten und uns jeden Tag aufs neue herausfordern: 

Der Einkauf zum Supermarkt wird zum Spießrutenlauf. Das neue Homeoffice ist eine Konfliktzone für Paare, die sich ein Arbeitszimmer teilen müssen, ohne dass sie Arbeitskollegen sind. Homeschooling (das heißt, dass die Kinder zuhause unterrichtet werden, solange die Schulen geschlossen sind) wird zur Zerreißprobe für alle Eltern, die nicht für den Lehrerberuf ausgebildet sind.

Außerdem macht uns das Virus einen fetten Strich durch die Rechnung was unsere Pläne für das Jahr 2020 angeht: Veranstaltungen sind abgesagt, Urlaube fallen ins Wasser, Geburtstage und andere Feste müssen in Isolation zelebriert werden. Auch der regelmäßige Brunch mit der besten Freundin sowie sämtliche sportlichen Gruppenaktivitäten sind auf Eis gelegt – und das noch für eine unvorhersehbare lange Weile. Diese Annullierung ist nicht nur frustrierend und beängstigend, sie nimmt uns die Vorfreude auf die Zukunft

Corona bereitet uns also viel Stress und unsere Geduld hängt am seidenen Faden. Mit dem Stresspegel steigen Gefühle von Reizbarkeit, Anspannung und Unwohlsein, die nicht nur uns selbst herunterziehen, sondern sich auch in zwischenmenschlichen Situationen zeigen.

In welchen Situationen wir in der Corona Krise mental besonders herausgefordert werden und warum, beschreibe ich in den nächsten Abschnitten.
Was wir tun können, um uns mental zu stärken und innere Herausforderungen bewältigen können, erkläre ich im zweien Teil des Blogposts.

Grüße aus meinem neuen Homeoffice in Kalifornien.

Tägliche Panikmache um Corona in den Nachrichten

Vieles in unserem Alltag hat sich geändert. Wir werden bereits morgens mit den wichtigsten Corona Updates bombardiert. Die Ereignisse überschlagen sich täglich. Es gibt neue Zahlen, neue Erkenntnisse, neue Ängste. Wir kommen um die Beschallung durch die Medien kaum herum, denn Zeitung, Tv und soziale Netzwerke überfluten uns mit Informationen, ob wir es wollen oder nicht. Selbst wer sich den News entziehen kann, der wird spätestens im Gespräch mit anderen auf den neuesten Stand gebracht. Kaum eine Konversation kommt mit dem Satz „Hast du schon gehört…?“ aus. 

Warum wollen wir immer alles wissen?

Die Sensationsbegierde liegt uns Menschen im Blut, denn je mehr Informationen wir sammeln, desto sicherer fühlen wir uns. Ein mangelndes Sicherheitsgefühl lässt viel Platz zum Grübeln und Ausmalen von Horror-Szenarien. Davon angetrieben suchen wir uns Informationen von verschiedenen Quellen zusammen, um Licht ins Dunkle zu bringen.

Das extreme Ausmaß an Ungewissheit in Sachen Corona ist ungewöhnlich für die heutige Zeit. Wir sind es gewohnt, auf dem neuesten Stand zu sein und uns sogar mehr Wissen durch zuverlässige Quellen anzueignen, wenn uns ein Thema interessiert. In der Krise ist das nicht der Fall, denn trotz der Flut an Informationen wissen wir nicht viel. Dementsprechend macht es uns selbstverständlich Angst, nicht zu wissen, was gerade passiert und wie unsere Zukunft aussieht.

Aufgepasst: Generell ist es wichtig, Informationsquellen zu prüfen und nicht jedem Gesprächspartner oder jedem Facebook-Post Glauben zu schenken!

Verändertes Sozialverhalten

Die Isolation hat den direkten Kontakt zu anderen Menschen extrem verringert und unsere Kommunikation verändert. Technische Mittel machen zwar den Kontakt zu anderen weiterhin möglich, dennoch bleiben Gefühle von Einsamkeit und Sehnsucht nach den Menschen, die uns wichtig sind.

Warum fehlen uns unsere Mitmenschen so sehr?

Der Mensch ist in der Regel ein geselliges Geschöpf. Es gehört zu unseren Grundbedürfnissen, Kontakt zu anderen herzustellen und zu halten. Außerdem identifizieren wir uns gerne über soziale Gruppen, denen wir angehören (möchten). 

Die Gruppenzugehörigkeit bietet Schutz und einen Platz zur persönlichen Entfaltung. Außerdem treffen wir hier Gleichgesinnte und teilen gemeinsam unsere Vorlieben für Kunst, Musik, Sport, Reisen… 

Dementsprechend sind Veranstaltungen wie soziale Sammelbecken für uns. Wir treffen Freunde, lassen uns gemeinsam treiben, machen neue Erfahrungen, knüpfen Kontakte, zeigen was wir können oder wer wir sind und und und.

Dieser Zusammenhalt und die Art der Selbstverwirklichung fehlen uns momentan. Wir vermissen einander und der Kontakt per Telefon oder Videochat ist nur ein schwacher Trost für die mangelnde körperliche Nähe zu Freunden und Familie. 

Sind wir zum sozialen Rückzug gezwungen, ist es also kein Wunder, dass wir unter Einsamkeit leiden und und um unsere Mitmenschen, die wir nicht mehr regelmäßig sehen können, sorgen. 

Aufgepasst: Trotz dieser Umstände sollten wir versuchen, mit unseren Mitmenschen in Kontakt zu bleiben, auch wenn es uns schwer fällt. Soziale Beziehungen stärken unsere mentale Gesundheit!

Angst im und um den Job durch Corona

In der Krise bereitet uns Angst um den Job und verändert unser Arbeitsverhältnis enorm (z.B. durch Kurzarbeit oder stark reduzierte Arbeitszeiten). Einige haben den Job bereits bis auf Weiteres verloren und müssen sich nun umorientieren, was besonders schmerzt. 

Menschen, die einen „essentielle“ Job ausüben, wie Ärzte und Krankenschwestern, arbeiten härter als zuvor, um die Corona-Erkrankten (und alle anderen Kranken) zu behandeln. Das fehlende Wissen, worum es sich genau bei diesem Virus handelt, wie es übertragen wird und wie man es am besten besiegt, macht diese Arbeit unglaublich stressig und gefährlich. Mit dem Virus in (potenziellen) Kontakt zu sein, erzeugt bei vielen außerdem ein Schuldgefühl gegenüber den Mitmenschen, die im selben Haushalt leben.

Diejenigen, die nun von zuhause aus arbeiten müssen, fühlen sich hingegen noch mehr in ihrer Arbeit eingeschränkt. Sie sehen jeden Tag dieselben Wände und dieselben Menschen.

Warum ist uns unser Job so wichtig?

Anstelle sich um die eigene Gesundheit zu kümmern, priorisieren viele Menschen die Sicherheit ihrer Jobs. Das hat nicht nur einen finanziellen Grund (schließlich brauchen wir Mittel, um uns in der Krise über Wasser zu halten), sondern auch einen persönlichen, emotionalen Grund.

Unser Job macht einen großen Teil unserer Persönlichkeit aus. Er gibt uns eine Aufgabe und beschäftigt uns jeden Tag. Wenn dieser Teil von uns weg bricht, in der Regel ohne Selbstverschulden, stürzen wir in eine Art existenzielle Krise.

Aufgepasst: Der Job ist nur EIN Teil von uns. Momentan müssen wir diesen Teil eventuell ein wenig zurückstellen oder vorübergehend verändern. Das heißt nicht, dass es für immer so bleiben wird.

Grübeln und Depression in der Corona Krise

Für Menschen, die bereits an affektiven Störungen (z.B. Depressionen) oder an Angststörungen leiden, ist die Corona Krise eine besondere Herausforderung. Aber auch Menschen ohne psychologische Vorbelastung erkennen, dass der Stress ihnen extrem auf das Gemüt schlägt.

Warum fühle ich mich gerade so abgeschlagen und depressiv?

Die bereits erwähnte Nachrichtenflut und die daraus resultierenden Meinungsverschiedenheiten bringen uns jeden Tag zum Nachdenken. Körperliche und geistige Beschäftigung, die uns jetzt im Job, durch Hobbies oder Sport fehlt, zwingt uns außerdem zur Passivität. Die regelrechte Abschottung von der Außenwelt gibt uns darüberhinaus mehr Zeit als üblich, um unsere Gedanken kreisen zu lassen.

Immer wieder stellen wir uns die selben Fragen:

Wann ist die Krise zu Ende?

Wann darf ich wieder bedenkenlos aus dem Haus?

Wann kann ich meine Familie/Freunde/Partner sehen?

Werden wir ein Heilmittel / einem Impfstoff finden?

Wie schütze ich mich und meine Mitmenschen?

…?

Diese Fragen können zur Zeit nicht mal die Experten beantworten, was bei uns Hilflosigkeit und Panik auslöst. Wir verlieren ein Stück weit das Gefühl von Gewissheit, Sicherheit und Kontrolle über unsere Zukunft, was essentiell für unser Wohlbefinden ist.

Anstelle dieser Gefühle treten bei manchen Menschen nun Leere, Bedrängnis und Freudlosigkeit. Es fühlt sich an, als würden wir in ein bodenloses Loch fallen. 

Aufgepasst: Dieses Gefühlschaos ist angesichts der Krise völlig normal, dennoch sollten wir aufmerksam bleiben. Übermäßiges Grübeln, Freudlosigkeit und andauernde Antriebslosigkeit sind klassische Symptome einer Depression und sollten auf lange Sicht behandelt werden.

Das Corona Trauma

All diese einschneidenden Veränderungen und der damit verbundene starke Stress führen dazu, dass wir wie gelähmt sind. Die Umstände ähneln denen eines Traumas – und ja – in gewisser Weise durchleben wir gerade ein traumatisches Ereignis. Wir kämpfen dagegen an, versuchen uns anzupassen und fühlen uns doch ziemlich machtlos. Diese Reaktionen auf die enorme Belastung können dazu führen, dass wir eine Art „Anpassungsstörung“ entwickeln, die unser subjektives Wohlbefinden auch nach dem Ende der Corona Krise beeinträchtigen kann. 

Bei einer Anpassungsstörung halten Gefühle von Angst, Depression und übermäßiger Sorge nach einem kritischen Lebensereignis über einen Zeitraum von mehreren Wochen und Monaten an. Die Symptome schränken das alltägliche Leben stark ein und sorgen bei dem Betroffenen für Leidensdruck (vgl. ICD 10 WHO Version 2019). Beispiele für solche kritischen Lebensereignisse sind Unfälle, das Ende einer Beziehung, Mobbing oder starke Vernachlässigung im Kindesalter. Folglich kann es zu Isolation und Arbeitsunfähigkeit kommen. 

Egal, wann und wie die Krise enden wird, die Erinnerungen an dieses stressige Jahr werden uns sicherlich noch einige Zeit lang verfolgen. Um während UND nach der Krise einen kühlen Kopf zu bewahren, müssen wir unsere mentale Gesundheit stärken.

Dabei helfen bereits kleine Übungen, die das „mentale Immunsystem“ auf Vordermann bringen. Im zweiten Teil des Blogposts gebe ich euch 20 Tipps zur mentalen Gesundheit in der Corona Krise.

Quarantäne Modus ON

Images: Pexels.com

Der Kommentarbereich ist geschlossen.

2 Kommentare

  1. Danke, liebe Rina 💋
    Ja, die Einsamkeit macht mir auch zu schaffen – trotz Videotelefonie oder einem Schwatz mit der Nachbarin.
    Viel Kraft und Gesundheit 🍀

  2. Liebe Miri,
    Danke für’s Lesen und für deinen Kommentar.
    Ich verstehe dich absolut! Ich hoffe, dass dir der zweite Teil des Blogeintrags noch ein paar Ideen gibt, wie du dich weniger einsam fühlst.
    Schreib mir gerne jederzeit, ich bin für dich da ❤️
    Herzliche Grüße in die schöne Schweiz,
    Dr. Katharina Stenger (Rina) 😊